Lokale Kirchenentwicklung

Immer deutlicher wird, dass die volkskirchliche und milieugeprägte Christenheit ihre Kraft verliert und ein epochaler Umbruch zu erwarten ist. Lokale Kirchenentwicklung ist ein Weg, den Glauben in der Kirche neu zu entdecken und sich als Pfarrei in einen Prozess der Bewegung und Veränderung zu begeben.

Folgende Gedanken sind leitend für eine lokale Kirchenentwicklung:

Lokal – es geht nicht um die Auflösung der lokalen Gruppen und Gemeinden, sondern um deren Aufbau, Stärkung und Weiterentwicklung in immer größer werdenden pastoralen Räumen.

Taufwürde – es geht um die Neuentdeckung der Taufwürde, die grundlegend für das Christsein ist. Getaufte haben viele Gaben und Charismen, die es zu entdecken und zu fördern gilt.

Prozess – es geht nicht um „Aktionen“, sondern um einen Weg. Derzeit stehen wir noch am Anfang dieses Weges.

Charisma des Ortes – jeder Ort hat seine Stärken und seine eigenen Aufgaben. Lokale Kirchenentwicklung entdeckt die Orte der Pfarrei in ihrer Unterschiedlichkeit, Einmaligkeit und Farbigkeit.

Unterschiedliche Gemeindeformen – eine Pfarrei besteht aus vielen Gemeinden, die alle unterschiedlich sind. Einige davon treffen sich in einem kirchlichen Gebäude, andere leben Gemeinde in unseren Einrichtungen (KiTa, Schule, Caritas …), wieder andere unterstützen als Christen eine wichtige Aufgabe wie den Mittagstisch oder die Flüchtlingshilfe, manche bilden einen Hauskreis in ihrer Straße … Wir gehen davon aus, dass in der einen Pfarrei in Zukunft mehr Gemeinden geben wird als heute. Sie alle organisieren sich dezentral und sind gemeinsam Kirche.

Lokale Leitungsteams – sie sind der Versuch der Getauften, an vielen Orten Verantwortung und Leitungsaufgaben gemeinsam wahrzunehmen.

Eucharistie – in ihr feiern wir mit Christus unsere Berufung zum Christsein und die Einheit der Kirche. In ihr wird uns Kraft und Mut für unsere Sendung geschenkt. Sie ist die innerste Mitte sowie Quelle und Höhepunkt des Lebens einer Pfarrei und der Kirche.

Sendung – Kirche ist nicht als Institution gedacht, die um sich selber kreist. Sie ist gesandt zu allen Menschen, auch zu denen, die nicht zu ihr gehören. Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute zu teilen ist Ihre Aufgabe und ihre Sendung.

Partizipation – es geht um Begegnungen und Entscheidungsfindungen auf Augenhöhe, es geht um Teilhabe der Getauften an der Gemeindeleitung und an der Sendung der Kirche.

Grundhaltungen – es geht um die Wahrnehmung der Wirklichkeit und die Unterscheidung der Geister – was hilft, was führt weiter, was ist ein Geschenk Gottes, wohin will Gott uns führen? In einer Dialogkultur des Vertrauens und der Transparenz entsteht Orientierung und Verbindlichkeit, wächst Vielfalt und Experimentierfreudigkeit.

Unterschiedliche Glaubenswege – Menschen auf ihren unterschiedlichen Glaubenswegen zu begleiten bedeutet, die Taufe ernst zu nehmen und dem Heiligen Geist etwas zuzutrauen.
Das Alte und das Neue – die alte Art Kirche zu sein und die neue Art Kirche zu sein werden in Zukunft nebeneinander stehen und sich gegenseitig ergänzen und befruchten. Beides ist gleich wichtig und wertvoll.

Liturgie – in vielen unterschiedlichen gottesdienstlichen Formen finden Menschen bei Gott Ruhe und Kraft. Das Hören des Wortes Gottes schenkt ihnen Orientierung. Im Gebet bringen sie ihren Alltag zur Sprache.

Alltagsrelevanz – der Glaube an Gott ist mehr als ein Anhängsel im Leben eines Christen. Er hat Auswirkungen auf die Gestaltung des Alltagslebens und prägt Entscheidungen mit.

Keine Defizitorientierung – es wird nicht auf das geschaut, was nicht mehr oder noch nicht ist. Mit Freude wird das wahrgenommen, was schon an Gutem geschieht und bereits da ist. Das Reich Gottes ist bereits spür- und erfahrbar.


Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? 

Jes 43,19

Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten.

1 Kor 12, 4-11

Pfarrei – zumeist territoriale Einheit eines Bistums. Die Pfarrei hat, so schreibt es das Kirchenrecht vor, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die dem Volk Gottes dienen und es aufbauen. Dazu gehören die Verkündigung des Wortes Gottes, die Feier der Eucharistie und die Spendung weiterer Sakramente sowie die allgemeine Seelsorge. In Deutschland ist eine Pfarrei eine öffentliche juristische Person.

Der Pfarrer ist der Leiter der Pfarrei, so schreibt es das Kirchenrecht vor. Früher war der Pfarrer häufig der „Macher der Gemeinde“, heute ist er „Ermöglicher“. Früher lief nichts ohne den Pfarrer. Heute ermutigt er die unterschiedlichen Menschen der Gemeinden, ihre Taufwürden zu entdecken und aus ihr heraus den Alltag und das Gemeindeleben selbstständig zu gestalten. Der Pfarrer erspürt die Talente seiner MitarbeiterInnen und sorgt dafür, dass diese gut zur Entfaltung kommen. Er steht für die Einheit der gesamten Pfarrei und ihre Verankerung in der Kirche von Hildesheim. Er stellt immer wieder die Frage nach der Entwicklung und der Zukunft der Pfarrei und steht für ihre Vision vom sich entfaltenden Reich Gottes.

Gemeinde wurde früher oft mit der Pfarrei gleichgesetzt. Heute spricht man von der Pfarrei als Gemeinschaft von Gemeinden. Gemeinden werden häufig territorial gebildet und entwickeln ihr Leben oft in einem Kirchgebäude oder einem Gemeindezentrum. Personengruppen ohne territoriale Verortung können auch eine Gemeinde sein. Sie bildet sich aufgrund von Interesse und Engagement. Dazu gehören z.B. die brasilianische Gemeinde oder der philippinische Freundeskreis.

Da, wo Gemeinde sich versammelt, ist Kirche. Wo Menschen etwas aus ihrer Verbindung mit Jesus Christus tun, z. B. bei unserem Mittagstisch oder in der Flüchtlingsarbeit, ist Kirche ebenfalls erfahrbar und erkennbar.

Kirchort ist ein neuer Begriff. Er bezeichnet einen Ort, an dem eine Kirche steht, um die herum sich ein Gemeindeleben entwickelt hat oder entwickeln kann.